Journalismus a’la Austria

Die Präsentation des Digital News Reports Österreich und was österreichische Medienschaffende dazu – nicht – zu sagen hatten.

Es war zwar eine öffentlich wenig bemerkte, aber durchaus bemerkenswerte Veranstaltung, die da an diesem sommerlichen Mittwochabend im gut klimatisierten Pressezentrum der Austria Presse Agentur (APA) vonstattenging. Präsentiert wurden die österreichischen Teilergebnisse des jährlichen Digital News Reports, in 38 Ländern (Europa, Nord-/Südamerika, Asien, Australien) erhoben und ausgewertet vom Reuters Institute for the Study of Journalism (RISJ) in Zusammenarbeit mit der University of Oxford und regionalen Institutionen. Der Fachbereich Kommunikationswissenschaft der Universität Salzburg ist verantwortlich für die österreichische Teilstudie.

Die ausgewählten Ergebnisse und Diagramme aus der aktuellen Studie, die Teamleiter Stefan Gadringer (Uni Salzburg) zunächst präsentierte, enthielten so einiges an Bedenkenswerte. Ein paar Beispiele:

  • nur 39% der Österreicher und Österreicherinnen haben Vertrauen in ihre Nachrichtenquellen (Schnitt weltweit: 42%) – Tendenz fallend
  • 62% lesen hauptsächlich Schlagzeilen
  • meist genutzte Nachrichtenquelle ist nach wie vor das Fernsehen (64,4%) vor gedruckten Zeitungen (53,5%) und Radio (45,5%)
  • das Interesse an Nachrichten hat im Vergleich zum Vorjahr bei den politisch in der Mitte Verorteten um 6,2% ab-, bei den Links- oder Rechtsaußen dagegen um 1,9% zugenommen!
  • das Vertrauen in die jeweils bevorzugten Nachrichtenquellen nimmt bei den politisch sich selbst rechts Verortenden ZU, bei den Linken dagegen AB
  • fast 60% sagen, dass die konsumierten Nachrichten NICHT zum Verständnis von Sachverhalten beitragen

Auf dem Podium traten alsdann vier Medienschaffende und Medienverantwortliche sowie ein Wissenschaftler zusammen, um die soeben präsentierten Trends und Entwicklungen zu diskutieren. Namentlich waren dies Harald Fidler (Ressortleiter Medien des STANDARD), Heinz Lederer (ORF Stiftungsrat), Katharina Schell (Mitglied der Chefredaktion, digitale Innovation, Medienredakteurin, APA), Richard Grasl (Mitglied der Chefredaktion, Kurier) sowie Josef Trappl (Leiter des Fachbereichs Kommunikationswissenschaft, Leiter der Abteilung Medienpolitik und Medienökonomie, Universität Salzburg).

Und was tat die versammelte Medienkompetenz? Sie debattierte gut eine Stunde über Bezahlschranken, Geschäftsmodelle, Klick-Thru-Raten und ob die digitale Ausgabe eines Anwesenden (Standard) demnächst mit einer „intelligenteren“ Bezahlversion herauskommt, als jene eines nicht anwesenden Mitbewerbers (die Presse). Kurzum, es ging nahezu ausschließlich ums Geld.

Nicht, dass Geld unwichtig wäre. Guter und unabhängiger Journalismus braucht eine solide Finanzierung, gar keine Frage. Aber es wäre doch schön gewesen, zu erfahren, was die Verantwortlich mit diesem Geld denn anstellen würden, um zum Beispiel dem zunehmenden Vertrauensverlust entgegenzuwirken. Welche journalistischen, redaktionellen oder herausgeberischen Maßnahmen sind angedacht, damit Nachrichtenkonsumenten wieder vermehrt das Gefühl haben, ihnen würden selbige auch ausreichend erklärt?

Fortbildung für Reporter und Redakteure? Neue, innovative Formate? Mehr Raum für Erläuterungen und Hintergründe? Nichts dergleichen wurde auch nur angeschnitten.

„Letzlich zählt eh nur a guade G’schicht“ (Grasl, Kurier), war im Wesentlichen die einzige Aussage des gesamten Abends, die irgendwie in Richtung journalistischer Inhalte ging. Und sie blieb ebenso unwidersprochen und unerklärt einsam im Raum stehen.

„Sauber recherchieren“, „check und double-check“, „wiss’ma eh ois“, „journalistisches Handwerkszeug“, „ho’ma ja ois gelernt“ – es sind immer die gleichen Selbstein- und Überschätzungen, mit denen sich österreichische Medienaktive auf Diskussions- und Podiumsveranstaltungen wie dieser ihre Welt schönreden.

Es scheint in den heimischen Redaktionen niemanden stutzig zu machen, dass das Vertrauen der benachbarten Deutschen in ihre Medien signifikant höher ist – Deutschland rangiert hier im vorderen, Österreich im hinteren Drittel – und das, obwohl genau im Untersuchungszeitraum das Flaggschiff deutschen Journalismus‘, der SPIEGEL, die größte Medien-Havarie seit den gefälschten Hitlertagebüchern hingelegt hat.

Hier könnte sich der Blick beispielsweise auf die Öffentlich-Rechtlichen richten. Denn – eine der wenigen guten Nachrichten des Reports – der ORF ist nach wie vor stabil in der Mitte der Gesellschaft verortet und hat weiterhin die mit Abstand größte Reichweite. Davon ausgehend, dass dies auch in Deutschland für die Öffentlich-Rechtlichen zutreffen dürfte, könnte hier vielleicht ein Unterschied begründet sein. Denn beim großen Nachbarn gibt es bekanntlich mit ARD und ZDF zwei große, öffentlich-rechtliche Mediensäulen, zählt man die Landesorganisation der ARD, von WDR bis BR, für sich, ist es sogar eine ganze Reihe an nicht-kommerziellen Anstalten, die um Zuseher und Zuhörer rittern. Es gibt also Wettbewerb.

Vielleicht wäre ja hier ein Hebel zu finden
, um Vertrauenswürdigkeit und Erklärfähigkeit auch in Österreich wieder zu verbessern. Und zugleich ließe sich der leidigen (Schein)-Debatte über ORF-„Zwangs“-Gebühren etwas Konstruktives entgegen setzen. Möglicherweise täte Österreich nicht ein anders finanzierter, sondern eine komplett anders strukturierte, öffentlich-rechtliche Medienlandschaft gut?

An besagtem, sommerlichen Mittwochabend ging es zum Thema ORF jedoch lediglich um die Frage, ob ein Kurier oder ein Standard digital Inhalte für bares Geld verkaufen können, wenn es dieselben vermeintlich kostenlos ja vom ORF ohnehin gäbe. Immerhin, die naheliegende Antwort wurde gegeben und sie lautet natürlich: Nein. Es müssten schon andere Inhalte sein, welche die Privaten verkaufen können.

Nur welcher Art diese sein sollen, davon hätte man gerne doch wenigstens ein wenig erfahren.


Highlights aus dem Digital News Report 2019 in 3 Minuten im Video

Surftipps:
Seite des Digital News Report Österreich http://www.digitalnewsreport.at/
Seite des Digital News Report International http://www.digitalnewsreport.org/
Der Digital News Report 2019 Österreich und der Digital News Report 2019 Global zum Herunterladen: http://www.digitalnewsreport.at/reports/2019-2/

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